Erich
Fried - Sich finden (Das Unmaß aller Dinge)
Wie schön das klingt "Sich
finden", richtig nach Erfüllung.
Und was da alles mitklingt:
"Suchet, so werdet ihr finden.
Klopfet an, so wird euch
aufgetan."
Und so weiter.
Aber wie ist es wirklich für
den, der sucht?
Er findet sich. Ja, er findet sich, er findet sich immer wieder
und wieder und wieder, auch wenn er einmal rasten möchte., auch wenn er endlich
aufhören oder auch nur unterbrechen möchte.
Und wie er sich findet?
Meistens in Stücken oder in
Bruchstücken oder in zerbröckelnden Stücken, oder in Stücken, die sich faulig
zersetzen oder doch so aussehen, als werde die Zersetzung gleich anfangen.
Und wenn er sich ganz
findet, dann weiß er nicht mehr, wer er ist, er oder das, was er da gefunden
hat. Und was heißt ganz? Ganz, aber tot. Ganz, aber in einem Zustand der
Dumpfheit, aus dem der Gefundene nicht zu erwecken ist. Ganz aber ganz zum Tier
geworden, oder zu etwas Ärgerem, denn wenn wir sagen "tierisch", tun wir den
Tieren damit Unrecht.
Ganz, und vielleicht sogar auch ganz bei Sinnen, aber bei
Sinnen, die keinen Sinn mehr finden können, oder vielleicht nur den Sinn noch
nicht finden können, aber was hilft das? Wenn man vergeht, ehe man
ihn finden konnte, dann war es fast ganz, als hätte man ihn nicht mehr
finden können.
Und das ärgste ist, daß man, wenn man erst angefangen hat zu
suchen, nicht mehr aufhören kann, auch nicht, wenn man längst weiß, daß die
Worte "Suchet, so werdet ihr finden" eigentlich eine Warnung waren oder gewesen
sein könnten.